Die digitale Kluft.
Warum Kreditinstitute und Firmenkunden ein neues Miteinander brauchen.
Es ist, als ob es gestern gewesen wäre – wir schreiben das Jahr 2014. Sechs Jahre nach Ausbruch der weltweiten Finanzkrise sehen sich die Banken und Sparkassen noch immer zahlreichen Herausforderungen gegenüber: Ein anhaltend niedriges Zinsniveau, massiver Kostendruck, eine zunehmend verschärfte Regulatorik sowie eine weitverbreitete Aversion vieler Kunden gegenüber der Abgabe von Bilanzen, BWAs und Business-Plänen.
Heute, im Jahr 2020 und somit wieder sechs Jahre später, hat sich an diesen Themen leider noch immer nichts geändert. Es ist mehr als nur weitere, wertvolle Zeit verstrichen. Die Situation hat sich sogar weiter verschärft – und dafür ist nicht allein das Virus Covid-19 verantwortlich. Vielmehr haben es viele Kreditinstitute noch immer nicht verstanden, dass sich in der neuen, digitalen Welt die Interaktion mit dem Kunden grundlegend ändern muss.
Die Banken stehen an einem Scheidepunkt – zwar ist das Firmenkundengeschäft für die Profitabilität der meisten Banken eine dominante Größe, aber die fetten Jahre dürften wohl erst einmal vorbei sein. Wie also soll das „Corporate Banking“ in der Zukunft aussehen?
In den Vorstandsetagen der Banken geht es um Antworten auf existenzielle Fragen: Wie kann man sein Geschäftsmodell optimieren um die wichtige Gruppe der Firmenkunden weiter an sich zu binden? Wie soll man als Bank oder Sparkasse auf sich verändernde Wertschöpfungsketten und Finanzierungsanforderungen reagieren? Welche Auswirkungen haben Verschiebungen in der Produktlandschaft, wenn Cash / Transaction Management und Trade Finance wachsen, wenn dabei eine zunehmende Markttransparenz durch Plattformen erfolgt oder vermehrt neue Wettbewerber mit Speziallösungen in den Markt drängen?
Anders aus Sicht der Kunden, der Geschäftsführer und Firmeninhaber. Hier ist die Kernfrage knackig kurz: Brauchen Unternehmen in Zukunft weiterhin Banken – oder nur Banking?
Das Miteinander auf dem Prüfstand
Wer sich für seine Firma, sein Unternehmen den Zugang zu Geld sicherstellen möchte, sollte seine Strategie für die Zusammenarbeit mit der Hausbank auf den Prüfstand stellen. Immer noch blenden viele, speziell die Inhaber kleinerer und mittlerer Unternehmen, aus, wie das Geschäftsmodell der Banken funktioniert. Doch dies sollte man wissen, wenn man sich als Firmenkunde in eine bessere Verhandlungsposition bringen will.
Fakt ist, zahlreiche Banken sind selbst geschwächt, da sie unverändert hohe Betriebskosten bei sinkenden Einnahmen schultern müssen. Das Kreditgeschäft mit Firmenkunden wird gerade jetzt noch schwieriger, da staatliche Notkredite das eigene Geschäft teilweise aushebeln. Zugleich wird die Vergabe von Krediten aufgrund vielfältiger Vorgaben erschwert werden.
Als die Zinswelt noch in Ordnung war, galt es als gutes Zeichen, wenn sich die örtliche Genossenschaftsbank ob ihrer vielen Einlagen rühmte – je mehr, desto mehr Gewinn. Das Geld wurde, mit Aufschlag, als Kredit weitergegeben oder für, hoffentlich, renditestarke Anlagen verwendet. Doch nun sind die Zinsen seit Jahren im Keller und damit schmilzt der sogenannte Zinsüberschuss. Da dieser Überschuss meist mehr als zwei Drittel der Erträge ausmacht, ist dies mehr als nur ärgerlich. Hinzu kommen immer neue Anforderungen der Aufsichtsbehörden und eine extreme Regulatorik, dies alles führt zu hohem Aufwand.
Kein Wunder, wenn man sich daher auf Bankenseite überlegt, wie man die vielfältigen Möglichkeiten der Digitalisierung nutzen kann, um das eigene Geschäftsmodell zu optimieren. Doch wie steht es dabei um das relevante Wissen bezüglich der Kundenbedürfnisse?
Diese Thematik hat eine Research-Studie von IBI beleuchtet. Dabei wurden die Angebote der Finanzdienstleister und die Wünsche sowie Anforderungen des Mittelstands untersucht. Wichtigstes Resümee war es, dass in allen Bereichen der Finanzdienstleistungen innovative und digitale Produkte nachgefragt werden. Obwohl es heute bereits eine Vielzahl digitaler Services gibt, sind diese dennoch meist nicht vollständig automatisiert und medienbruchfrei gestaltet. Insbesondere im Kreditbereich fehlt es dem Mittelstand an entsprechenden Lösungen. Die digitale Lücke besteht hierbei nicht nur im Fehlen von neuen Produkten, sondern auch hinsichtlich der durchgängigen Automatisierung und auch in der Vereinfachung bereits bestehender Services und Dienstleistungen.
Ein Lösungsansatz im Sinne des Kundennutzens ist beispielsweise auch die Unterstützung durch „digitale Firmenkundenberater“. Erfolgreich praktiziert wird dies unter anderem bei einer „etwas anderen Bank“ im genossenschaftlichen Verbund, der Bernhauser Bank eG in Filderstadt. Deren Vorstandsvorsitzender Karlheinz Pitter sieht darin „eine ergänzende, neue Form der Kundennähe um damit auch bei modernen Technologien und Kommunikationsformen mehr als nur am Puls der Zeit zu sein“. Positiver Nebeneffekt: Sowohl die Mittelstandskunden, wie auch das bankeigene Kundenbetreuer-Team, profitieren von diesem Wissens-Service.
Spannend in diesem Zusammenhang ist auch die Erkenntnis aus einer Studie von 2018, erstellt von PwC / HypoVereinsbank. Darin wird klar formuliert, dass die Bank der Zukunft weitaus mehr können muss als die Bank der Vergangenheit! Nur noch 31% der befragten Mittelständler sehen in ihrer Hausbank einen reinen Bereitsteller von Finanzprodukten. Zwei Drittel erwarteten eine umfassende, unabhängige Beratung auch über Finanzierungsfragen hinaus.
Deshalb: Sprechen Sie offen und regelmäßig mit Ihrer Bank über Ihre Geschäftsstrategie, machen Sie transparent wo Ihre Firma steht und welche konkreten Ziele angestrebt werden. Machen Sie deutlich, was Sie sich an Unterstützung wünschen – sei es der Zugang zu Fördermitteln oder auch, dass Ihre Hausbank eine Netzwerkfunktion übernimmt, um den Zugang zu vielversprechenden Technologien für das eigene Geschäftsmodell zu ermöglichen.
Die Angreifer: FinTechs und BigTechs
Gerade das Kerngeschäft der Banken, das auf Dienstleistungen und immaterieller Produktion basiert, ist ein idealer Ansatz für digitale Geschäftsmodelle. Da sich die großen Finanzinstitutionen in der Vergangenheit mit ihren Innovationen hauptsächlich auf ihre Finanzprodukte und -instrumente konzentrierten, konnten im Bankensektor auch Quereinsteiger sowie Start-ups Fuß fassen.
FinTechs, eine Wortschöpfung aus „Financial Services“ und „Technology“, sind meist junge Unternehmen, die mit Hilfe technologiebasierter Systeme spezialisierte und kundenorientierte Finanzdienstleistungen anbieten, zum Beispiel über Finanzierungsportale. Eine Möglichkeit sind transparente, digitale „Vergleichsübersichten“, wie es die Stuttgarter FinMatch AG anbietet. Dieser Dienstleister bietet Mehrwert, indem er die Finanzierungsanfrage des Unternehmens – für Betriebsmittel, Investition in Maschinen etc. – aufbereitet und dann an eine Vielzahl von möglichen Finanzierungspartnern stellt. Binnen kürzester Zeit werden die eintreffenden Angebote einheitlich aufgearbeitet und dem Unternehmen zur Verfügung gestellt. So lässt sich auf dem großen Marktplatz das „beste Angebot in kürzester Zeit“ ausfindig machen. Diese Lösung zeigt, dass aus der ursprünglichen Konfrontation zwischen Kreditinstituten und FinTechs mittlerweile auch Kooperationen werden.
Spannender wird es bei den „BigTechs“, den Giganten wie Google und Facebook. Diese Tech- Konzerne werden wohl eher nicht um eine Banklizenz nachfragen, weil sie damit wirklich unter eine Regulierung fallen würden. Aber aus der „Relevanz beim Kunden“ ergeben sich Chancen für Finanzprodukte, Einnahmequellen und Geschäftsmöglichkeiten. Man setzt auf Merkmale wie „Nähe, Flexibilität und Nutzenorientierung“.
Es wäre wünschenswert, wenn diese Maxime auch in den Banken und Sparkassen pro-aktiv gelebt wird. Denn für das notwendige Gestalten der Zukunft braucht es einen wirklichen Schulterschluss, im vertrauensvollen, persönlichen Dialog sowie in analogen und digitalen Prozessen.
- Dieser Fachartikel von Wolf Hirschmann erschien als „Blickpunkt-Beitrag“ im Wirtschaftsmagazin für Familienunternehmen, DIE NEWS, Ausgabe Sept. 2020